Verlust mit System – Traditionelle Finanzprodukte
April 25, 2015Rente: Auf Nummer sicher in die Altersarmut
April 30, 2015Die Feststellung, dass derVerbraucher zeitgleich mit der Ausdünnung unabhängiger Beratungsangebote ausgerechnet dort, wo er sich bisher sicher und gut aufgehoben glaubte, schrittweise enteignet wird, gilt aber nicht nur für Sparbücher und andere festverzinsliche Direktanlagen. Sie gilt auch für die Kapitallebensversicherung, die einst des Deutschen liebstes Kind gewesen ist.
Eigentlich gibt es ja überhaupt keinen Grund, eine Risikoversicherung mit einem Sparplan zu kombinieren. Dennoch entwickelte sich genau diese Kombination, also die Kapitallebensversicherung, zu einer grandiosen Erfolgsgeschichte. Das Zusammenspiel aus einer steuerlichen Vorzugsbehandlung dieser Sparform und einem sehr starken Vertriebsnetz machte das möglich. Rein rechnerisch hat fast jeder der rund 82 Millionen Einwohner Deutschlands eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen.
Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft spricht von insgesamt 91,8 Mio. Lebensversicherungsverträgen, wovon 15,4 Mio. reine Risikoversicherungen sind. Es bleiben also 76,4 Mio. Kapitallebensversicherungen.
Wir haben stets von Kapitallebensversicherungen abgeraten
Wir haben nie einen Hehl aus unserer Abneigung gegenüber dem Finanzprodukt Kapitallebensversicherung gemacht. Unseren Lesern haben wir schon immer vom Kauf dieses Produkts abgeraten, weil uns die Kosten zu hoch, die Flexibilität zu gering und die Anlagestrategie zu einseitig ist.
Seit einigen Jahren raten wir sogar dazu, bestehendeVerträge zu kündigen oder zu verkaufen. Dazu später mehr. Zu diesem radikalen Rat haben wir uns seinerzeit vor allem aufgrund des gewaltigen Klumpenrisikos entschlossen, das die Versicherungen mit den Geldern ihrer Kunden im Bereich festverzinslicher Wertpapiere eingegangen sind. Experten beziffern den Anteil der Gelder, die direkt oder indirekt in Schuldtiteln angelegt sind, auf 85%. Ein Großteil davon sind Staatsanleihen mehr oder weniger
dubioser Qualität. Gold spielt bei den staatstragenden Versicherungen hingegen keine Rolle.
Da sich die Welt in einer Staatsschuldenfalle befindet, ist diese extrem einseitige Ausrichtung schlicht und einfach nicht mehr zeitgemäß. Deshalb kommt die Kapitallebensversicherung allein aus Risikogesichtspunkten im Zeitalter drohender offener oder versteckter Staatsbankrotte gerade für konservative Anleger nicht mehr in Frage.
Nullzinspolitik trifft natürlich auch die Kapitallebensversicherung
Inzwischen sprechen aber auch die Ertragsaussichten gegen die Kapitallebensversicherung, da auch hier die Zinserträge aufgrund der Nullzinspolitik schwinden. Das stört den Gesetzgeber und seine Lakaien innerhalb der Zentralbanken jedoch nicht. Schließlich hat der moderne Schuldenstaat frühzeitig per Gesetz dafür gesorgt, dass Kapitallebensversicherungen die Gelder ihrer Kunden vor allem in festverzinsliche Wertpapiere hoher Bonität anlegen müssen. Und dazu gehören gewissermaßen per Definition noch immer Staatsanleihen – trotz Überschuldung und Staatsschuldenfalle.
Der überschuldete Gesetzgeber ist der größte Nutznießer der Nullzinspolitik der Zentralbanken. Deshalb ist es naiv zu glauben, er würde sich in dieser Situation für die entgegengesetzten Interessen von Sparern, konservativen Anlegern und Eigentümern von Kapitallebensversicherungen einsetzen. Das wird er nicht tun, da steigende Zinsen sehr schnell zu Staatsbankrotten führen würden.
Stattdessen wird er zusammen mit seinen Zentralbankbürokraten weiterhin alle Hebel in Bewegung setzen, um die Zinsen möglichst niedrig zu halten und die tatsächlichen Inflationsraten möglichst hoch. Ob ihm das dauerhaft gelingt, darf zwar mit Fug und Recht bezweifelt werden. Aber die Geschichte des Geldes und der Staatsfinanzen lehrt, dass beliebig vermehrbares Geld in Kombination mit einem verschwenderischen Staat stets zu massiver Geldentwertung führt.
Spiele statt Brot: der Schulterschluss zwischen Staat und Versicherungen
Dem Gesetzgeber sind die Interessen der Versicherungsnehmer also bestenfalls egal. Aber die Frage, wovon die Versicherung leben soll, wenn nicht nur ihre Kunden, sondern auch sie selbst keine Erträge mehr erwirtschaften kann, diese Frage interessiert den Gesetzgeber sehr wohl.
In Deutschland wurde diese Frage im Windschatten des für Ablenkung sorgendenWohlfühlspektakels Fußballweltmeisterschaft mit einer perfiden und in höchstemMaße unsozialen Änderung des Versicherungsgesetzes beantwortet. Die sogenannten Überschussbeträge, also Kursgewinne, die mit dem Geld der Versicherten erzielt wurden und diesen folglich auch wie man meinen sollte unbestritten zustehen, gehören per Order de Mufti plötzlich nicht mehr den bisherigen Eigentümern, also den Versicherten, sondern den Versicherungen.
Das ist staatliche Umverteilungspolitik der ganz besonderen Art! Aber auch sie verteilt von unten nach oben, von vielen an wenige. Herrschaftszeiten!
Trübe Aussichten für Kapitallebensversicherungen selbst in einem Best-Case-Szenario
Weitere ähnlich gelagerte Schritte, die stets zu Lasten der Versicherten gehen, werden folgen. Und das ist das extrem unwahrscheinliche, wenn nicht unmögliche Best-Case-Szenario, in dem der jetzt eingeschlagene geld- und staatsschuldenpolitische Weg ohne große Verwerfungen weitergehen wird.
Wir gehen allerdings nicht von diesem Best-Case-Szenario aus, sondern rechnen entweder mit offenen Staatsbankrotten oder mit hohen Inflationsraten. In beiden Fällen erleiden festverzinsliche Anleihen und damit auch die in Kapitallebensversicherungen angelegten Gelder gewaltige Verluste.
Höherer Beratungsbedarf als je zuvor
Sehr beeindruckend fand ich bei den eingangs erwähnten Veranstaltungen die Klarheit und Deutlichkeit, mit der das Problemkind Kapitallebensversicherung abgehandelt wurde. Hier wurde ebenso ungeschminkt Klartext gesprochen wie Sie das von uns in Krisensicher Investieren gewöhnt sind. Und das, obwohl der Verkauf von Lebensversicherungen jahrelang zum Brot-und-Butter-Geschäft der meisten Anwesenden gehört hat.
Dieser Spieß wurde allerdings auf überzeugende Weise umgedreht: „Gerade jetzt“, so die mit Enthusiasmus vorgetragene Devise eines begnadeten Verkaufsprofis und Motivationstrainers, „gerade jetzt ist der Beratungsbedarf potenzieller Kunden höher als je zuvor.“
Deshalb müsse man jetzt auch auf die Kunden zugehen, denen man einst selbst Versicherungen verkauft hat. Man dürfe diese Menschen nicht mit den daraus entstandenen Problemen allein lassen, sondern müsse ihnen jetzt zumAusstieg raten und ihnen eine sinnvolleAlternative vorstellen.
Selbst wer lediglich die Pressemeldungen zum Thema Lebensversicherungen während der vergangenen Monate verfolgt habe, müsse zwangsläufig zu diesem Ergebnis kommen (siehe Kasten).
„Lebenspolicen stehen vor dem finalen Niederschlag“
Die Welt, 8. Januar 2014
„AuchAltkunden der Lebensversicherer müssen bluten“
Die Welt, 8. Januar 2014
„DerAbsturz der Lebensversicherung in fün fAkten“
Die Welt, 18. März 2014
„Wann die Kündigung einer Lebensversicherung lohnt.
Die Zeit drängt“
Süddeutsche Zeitung, 8. April 2014
„Bafin besorgt.Auch große Lebensversicherer gefährdet“
Handelsblatt, 21. April 2014
„Schneller Tod sichert noch die volle Auszahlung“
Die Welt, 4. Juni 2014
„IWF plant neue Enteignungsrunde für Sparer.
Betroffen wären vor allem Besitzer von Lebensversicherungen oder Fonds.“
Die Welt, 25. Juni 2014
„Der langsame Tod der deutschen Lebensversicherung“
Die Welt, 30. Juni 2014
„Inflation vernichtet eingezahltes Kapital“
Die Welt, 24. August 2014
Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende
Diese Einschätzung teilen wir in vollem Umfang. Aber wir wissen natürlich auch, wie schwer es den meisten Menschen fällt, Verluste zu realisieren. Und die Verluste, die bei der vorzeitigen Kündigung einer Kapitallebensversicherung realisiert werden, sind gewöhnlich ganz erheblich.
Die Hälfte der eingezahlten Beträge kann das problemlos kosten. Außerdem sind die meisten Betroffenen ja keine Börsianer. Sie haben also keinerlei Erfahrung im Umgang mit Verlusten und neigen dazu, dem Prinzip Hoffnung zu huldigen und den Kopf in den Sand zu stecken.
Die Situation der „Versicherten“ gleicht in gewisser Weise der Lage, in der sich die gesamte Europäische Währungsunion befindet. Die eigentliche Fehlentscheidung – hier die Einführung einer ökonomischen Gesetzen widersprechenden Währungsunion, dort der Abschluss eines Kapitallebensversicherungsvertrages – liegt schon einige Jahre zurück. Aber dass es jeweils eine Fehlentscheidung war, ist inzwischen für jeden, der sehen will, offensichtlich. Dennoch schrecken diemeisten Betroffenen davor zurück, sich diesen Fehler einzugestehen.
Deshalb halten sie an der einmal getroffenen Fehlentscheidung fest und werfen schlechtem Geld noch gutes hinterher. Sie entscheiden sich also nicht für das Ende mit Schrecken, sondern für den Schrecken ohne Ende. Und übersehen dabei, dass Sie das Geld aus demVerkauf der Lebensversicherung gewinnbringend investieren und den Verlust wieder ausgleichen können.
Ein fauler Kompromiss
Manche durchaus bekannten Finanzexperten scheuen übrigens ebenfalls den harten Schnitt. Stattdessen schlagen sie eine Art Kompromiss vor, indem sie dazu raten, die Versicherungsverträge zu behalten, aber beitragsfrei zu stellen. Auf diese Weise wird dem schlechten Geld wenigstens kein gutes mehr hinterhergeworfen. Immerhin.
Aber worauf soll man in Bezug auf die bereits eingezahlten Gelder hoffen? Auf das oben beschriebene Best-Case-Szenario, in dem sich der schleichende Wertverlust bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag fortsetzt? Darauf, dass ein Wunder geschieht und sich die globale Staatsschuldenfalle auf unerklärliche Weise in Wohlgefallen auflöst? Dass die Zinsen auf ein für Sparer und Versicherte attraktives Niveau steigen, ohne Staatsbankrotte auszulösen?
Stellen Sie sich der Realität …
Man kann es drehen und wenden, wieman will, aber die Realität, der sich die Kunden von Kapitallebensversicherungen stellen müssen, lautet: Staatsschuldenfalle, Nullzinspolitik und staatliches Geldmonopol mit beliebig vermehrbarem Papiergeld.
Theorie und Praxis der Finanzgeschichte lehren, dass diese Konstellation entweder zu offenen Staatsbankrotten führt oder zu verdeckten Staatsbankrotten, also Inflationen. Beide Varianten haben verheerende Folgen für festverzinsliche Wertpapiere und damit auch für Kapitallebensversicherungen.
… so wie es der Gesetzgeber für den Fall der Fälle bereits getan hat
Interessant und vielleicht auch hilfreich bei der Entscheidungsfindung der Betroffenen ist ein Blick in das Versicherungsaufsichtsgesetz. Hier heißt es (Hervorhebungen von uns):
§ 89
Zahlungsverbot; Herabsetzung von Leistungen
(1) Ergibt sich bei der Prüfung der Geschäftsführung und der Vermögenslage eines Unternehmens, daß dieses für die Dauer nicht mehr imstande ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen, die Vermeidung des Insolvenzverfahrens aber zum Besten der Versicherten geboten erscheint, so kann die Aufsichtsbehörde das hierzu Erforderliche anordnen, auch die Vertreter des Unternehmens auffordern, binnen bestimmter Frist eine Änderung der Geschäftsgrundlagen oder sonst die Beseitigung der Mängel herbeizuführen. Alle Arten Zahlungen, besonders Versicherungsleistungen, Gewinnverteilungen und bei Lebensversicherungen der Rückkauf oder die Beleihung des Versicherungsscheins sowie Vorauszahlungen darauf, können zeitweilig verboten werden. Die Vorschriften der Insolvenzordnung zum Schutz von Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen sowie von dinglichen Sicherheiten der Zentralbanken und von Finanzsicherheiten finden entsprechend Anwendung.
(2) Unter der Voraussetzung inAbsatz 1 Satz 1 kann dieAufsichtsbehörde, wenn nötig, die Verpflichtungen eines Lebensversicherungsunternehmens aus seinen Versicherungen dem Vermögensstand entsprechend herabsetzen. Dabei kann dieAufsichtsbehörde ungleichmäßig verfahren, wenn es besondere Umstände rechtfertigen, namentlich wenn bei mehreren Gruppen von Versicherungen die Notlage des Unternehmens mehr in einer als in einer anderen begründet ist. Bei der Herabsetzung werden, soweit Deckungsrückstellungen der einzelnen Versicherungsverträge bestehen, zunächst die Deckungsrückstellungen herabgesetzt und danach die Versicherungssummen neu festgestellt, sonst diese unmittelbar herabgesetzt.
Die Pflicht der Versicherungsnehmer, die Versicherungsentgelte in der bisherigen Höhe weiterzuzahlen, wird durch die Herabsetzung nicht berührt.
Wie Sie sehen, ist die Rechtslage eindeutig: Bei Bedarf können die Auszahlungen der Kundengelder „dem Vermögensstand entsprechend“ herabgesetzt werden, während gleichzeitig der Versicherungsnehmer „in der bisherigen Höhe“ weiter seine Beiträge zahlen muss. Herrschaftszeiten!
Im Unterschied zu den als „Eurorettung“ kaschierten Bankenrettungen der vergangenen Jahremüssen also noch nicht einmal Gesetze gebrochen werden, um die politisch erwünschten Ergebnisse zu erzielen. An dieser Stelle hat der Gesetzgeber also bereits weitsichtig vorgesorgt.
Infos zum Autor: Claus Vogt
Foto: Bernd Liebl, Magdeburg